Der Deutsche Evangelische Kirchentag war dieses Jahr in Nürnberg vom 07. bis zum 11.06. Nach dem Ökumenischen Kirchentag vor zwei Jahren, der aufgrund der Pandemie digital und dezentral abgehalten wurde, fand dieser wieder in gewohnter Form statt und zog (laut Veranstalter) ca. 130 000 Besucherinnen & Besucher in die bayerische Großstadt. Unter den 12 000 Besuchenden, die in ca. 45 Schulen in Nürnberg und Fürth übernachtet haben, waren auch wir vertreten und kamen in der Ludwig-Erhard-Schule in Fürth unter. Hier möchte ich unsere bereichernden Tage mit Ihnen etwas teilen.
Bustransfer & Unterbringung hat das Jugendreferat Gladbach-Neuss für uns organisiert, denen ich an dieser Stelle ein großes Dankeschön für all die Mühe und Logistik aussprechen möchte. Die Hinfahrt war etwas verzögert und holprig (wie das solche Fahrten manchmal so an sich haben) und brauchte ihre 8 Stunden, bis wir am Quartier in Fürth ankamen.
In den Klassenräumen der Ludwig-Erhard-Schule durften wir unser Lager aufschlagen. Laut meinen Informationen waren ca. 210 Personen dort untergebracht, der Großteil aus unserem Kirchenkreis. Es war sicher nicht die bequemste Unterkunft, aber wir waren ja auch nicht für ein Wellness-Wochenende gekommen.
Für den Eröffnungsgottesdienst waren wir bereits zu spät, daher nutzten wir den Abend, um die Altstadt zu erkunden und etwas essen zu gehen. Die schöne Altstadt um die Lorenzkirche bildete neben dem Messegelände einen Knotenpunkt für die Menschenmengen und mit der U1 war nahezu alles sehr gut und schnell zu erreichen. Über die Kirchentags-App waren Fahrten & CheckIns gemanagt (unser Fazit am letzten Tag: das war erstaunlich gut und reibungslos organisiert und verwaltet; von anderen habe ich bislang nichts Gegenteiliges gehört). Wartezeit mussten wir für das erste Abendessen allerdings mitbringen: das Peter Pane war rappelvoll, aber es hat sich gelohnt!
Die Tage begannen mit Frühstücksbuffet in der Schule (auch hier ein herzliches Dankeschön an alle Helferinnen & Helfer!); ab 9 Uhr war die Schule offiziell geschlossen bis 18 Uhr, was aber bei Notfällen kein Problem war, es war immer jemand da. Den Tag über waren die Gruppen also unterwegs, besuchten Veranstaltungen, Konzerte, Lesungen, Podiumsdiskussionen, Bibelarbeiten, Workshops uvm.; es waren ca. 2000 Veranstaltungen an 120 Veranstaltungsorten. Wir hielten die Tage unterschiedlich: manchmal waren wir alle zusammen (6 aus unserem Jugendclub Be_You, Theodor Wilms-Hermes & ich), manchmal waren wir in Grüppchen getrennt unterwegs, manchmal Einzelne alleine. Es fanden sich alle gut zurecht und wir waren stets per Whatsapp in Kontakt oder telefonierten miteinander. Das Programm hielten wir ausgewogen, alle konnten für sich etwas mitnehmen aus Politik, Kultur, Sport, Musik und Spiritualität.
Gesellschaftlich und politisch markante Themen waren natürlich der Ukrainekrieg, die Flüchtlingsdebatte, die Frage nach der Radikalisierung in Teilen der Bevölkerung in rechtsextreme oder ideologische Lager (und damit die Gefährdung unserer Demokratie), die Wirtschaftslage und die klimatischen Veränderungen auf unserem Planeten. Dazu hörten wir in verschiedenen Podiumsdiskussionen namhafte Politikerinnen & Politiker, Journalistinnen & Journalisten, Forschende, Konzernvorstände, Demonstranten & Interessensvertreter, Künstlerinnen & Kabarettisten, uvm. Auch die politischen Podien waren immer wieder von spirituellen, ethischen und auch kirchlichen Aspekten und Fragen berührt oder durchdrungen. Der Vorwurf, den man manchmal hört, der Evangelische Kirchentag sei eine „politische Veranstaltung“, trifft (so platt formuliert) nicht zu. Behandelt man – in solch einem Rahmen und solch einer Größenordnung – gesellschaftliche und globale Fragen & Themen, dann muss man unweigerlich auch mit Politikern & Parteien sprechen.
Die Messe mit ihren größeren und kleineren Hallen und Bereichen war das Zentrum der Podiumsdiskussionen, aber auch Raum für Ausstellungen aus der bildenden Kunst sowie für Begegnungsstätten und seelsorgerliche Angebote. Vor den Eingängen waren stets Musikerinnen, Musiker, Chöre, Rednerinnen & Redner zu hören; freikirchliche und neureligiöse Gemeinschaften warben für sich, Stimmen für das Asylrecht und die Einstellung der Waffenlieferungen an die Ukraine erfüllten den Platz.
Andere Gesprächsrunden fanden auch anderorts statt, wie zum Beispiel „Politik trifft Jugend“ in der LUX Jugendkirche mit Emilia Fester (MdB) und Sabrina Stemplowski (Stadträtin in Kitzingen) im Gespräch.
Da wir ein paar Heavy-Metal-Liebhaber unter unseren Jugendlichen haben, ließen wir auch das nicht aus und besuchten in der Freien Christengemeinde Langwasser die Konzerte von Earthking und Sanity. Letztere war mir definitiv zu laut und nicht so ganz mein Stil und ich wartete die letzte halbe Stunde draußen auf die anderen. Die Stimmung und Atmosphäre unter den Leuten gefiel mir jedoch sehr; alle waren ausgesprochen freundlich, zugewandt und familiär (Metaller halt).
In der Meistersinghalle besuchten wir die Bibelarbeit von Bundesarbeitsminister MdB Hubertus Heil, von der wir aber nur noch das letzte Drittel mitbekamen, da wir wegen der vollen U-Bahn verspätet waren.
Ebenfalls ein Problem mit der Überfüllung hatte natürlich das Gespräch mit Bundeskanzler Olaf Scholz in der Frankenhalle auf dem Messegelände. Einige von uns hatten dort einen Platz bekommen, die anderen wichen in die Übertragungshalle aus und schauten von dort zu. Auch hier waren wir nach der Bibelarbeit mit Hubertus Heil etwas später dran; das lässt sich bei den Menschenmengen trotz der Nähe und der guten Verbindung eben doch nicht alles immer so ganz bewältigen.
Theodor Wilms-Hermes hatte für unsere Jugendlichen noch etwas geplant, was wir nicht auslassen wollten und wo alle mitkamen: ist man in Nürnberg, kommt man um das düstere Stück Geschichte unseres Landes nicht drum herum, hier befindet sich die Ruine des Reichsparteitagsgebäudes, ein monströses Bauwerk, das den Größenwahn der NS-Diktatur auch heute noch spürbar macht. Wir machten eine kleine Führung und Besichtigung. Theo erläuterte Architektur, Inszenierung und Propaganda hinter diesen Sandsteinklötzen, ich die menschenverachtende Ethik dieser Ideologie. Was sich durch alle Kirchentage zog, fand auch hier wieder Raum: wir unterhielten uns darüber. Das taten wir ständig, nach Veranstaltungen, beim Fußweg, beim Essen, in der U-Bahn, im Quartier, auf der Parkbank oder beim Warten auf die grüne Ampel. Und das war unterm Strich für mich das schönste an diesen Kirchentagen. Es wurde nicht konsumiert und „ausgeworfen“, sondern es wurde mit-genommen und im Herzen bewegt. Das muss Geschichte bewirken, das müssen Politiker bewirken, das müssen Künstler, das müssen Christen, das müssen wir bewirken – dass wir einander angehen, einander manchmal stören, einander erfüllen, begleiten und tragen. Angesichts der Tatsache, dass heute immernoch solche Ideologien vertreten werden und sogar an Kraft gewinnen, sind diese Ruinen nichts Vergangenes, nicht „Historie“, sondern bittere lebendige Geister, die in Abrede stellen, was Der in uns Menschen sieht, der uns dieses Leben geschenkt hat: Gott.
Neben diesen anspruchsvollen Inhalten und geschichtsträchtigen Orten bot das Programm des Kirchentags auch sportliche Aktivitäten an, die wir ebenfalls besuchten. Einige von uns versuchten sich im Bubble Soccer; mir war schon warm genug, daher tat ich meinen Dienst als „Aufsicht von dem Ganzen“ vom Sportplatzrand aus (Hemd & Jeans eignen sich ohnehin nicht so sonderlich dafür).
Wieder inhaltlich-anspruchsvoll wurde es bei dem Workshop, der alle interessierte und den wir in der Evangelischen Hochschule Nürnberg besuchten: „Hass (zu) leicht gemacht. Verschwörungsmythen begegnen!“ Friede Bösener und Jürgen Kricke nahmen uns in dieses schwierige und aktuelle Thema mit und diskutierten mit uns und anderen sehr angeregt, wie man in Gesprächen, in den Sozialen Netzwerken, in Freundeskreis oder gar Familie solchen Herausforderungen begegnen kann. Auch hier stellten wir fest, es gibt „die Lösung“ nicht, es geht nur mit Offenheit, Respekt, Ruhe, Mitgefühl und Sachlichkeit, so weit es uns möglich ist. Und manchmal muss man leider das Gespräch und den Kontakt beenden, um sich selbst zu schützen, wie eine Teilnehmerin aus eigener schmerzlicher Erfahrung zu berichten wusste.
Es gäbe noch viel an Eindrücken und Gedanken zu teilen, allein von mir, von den anderen ganz zu schweigen. Aber wie alles einmal einen Abschluss finden muss, so auch die Kirchentage und dieser Bericht. Der letzte Tag war von Jugendreferat und Busunternehmen geplant: Gepäck einladen, Busfahrt zum Abschlussgottesdienst, anschließend Abfahrt nach Hause … Joa … Wie das solche Fahrten manchmal so an sich haben …
Den Abschlussgottesdienst schafften wir „Live“ nicht mehr; wir waren zu spät. Stattdessen verbrachten wir die letzte Zeit gemeinsam im Café bei strahlendem Wetter.
Die Heimfahrt wurde mit Dösen und verschiedenen Stadt-Land-Fluss-Versionen verbracht. An dieser Stelle auch ein Dankeschön an den Busfahrer, der uns alle wohlbehalten hin- und zurückgebracht hat, zum Deutschen Evangelischen Kirchentag 2023 in Nürnberg und wieder nach Hause. Und zu guter Letzt: Dankeschön Vanessa, Arthur, Robin, Nils, Dominik, Paul & Theo! Es war schön mit euch!
Simon Fischer