Wenn Jesus am 25.12. geboren wäre (das war er nicht, diesen Geburtstermin hat die Kirche erst später dorthin gesetzt, weil es symbolisch gut passte: der erste Tag in der dunklen Jahreszeit mit den meisten Sonnenstunden), aber wenn er an diesem Datum geboren wäre, dann wären jetzt schon lange drei Männer zu ihm unterwegs: die Bibel erzählt von „Weisen aus dem Morgenland“, vermutlich aus Babylon, die sich zu ihm, zu seinem Geburtsort Bethlehem auf den Weg machten. Die werden ihre zwei Monate gebraucht haben für den Weg, also sind sie jetzt schon seit langem unterwegs.

Warum sind die überhaupt losgegangen? In der Bibel wird erzählt, sie waren Astrologen, Sterndeuter (Astrologie & Astronomie waren damals eins); sie sahen einen Stern am Himmel, der ihnen den Weg nach Israel deutete. Man spekuliert bis heute: hat dort astronomisch wirklich etwas stattgefunden? Oder war es ein göttliches Zeichen, ein Engel, dessen Erscheinen sich in der Naturwissenschaft nicht nachweisen lässt? Wer weiß.

Für die gelehrten Astrologen war es das Zeichen, dass ein König geboren wird. Sie kannten die alten Schriften, die Prophezeiungen: ein König wird geboren werden und er wird der Herr des Friedens für die ganze Welt werden. Und so zogen sie los, um den König zu sehen und ihm Geschenke zu bringen. Zwei Monate lang.

Zwei Monate, in denen sie den Stern manchmal sahen, manchmal nicht sahen, manchmal mit guter Orientierung voran kamen, manchmal nach dem Weg fragen mussten, manchmal die „Route neu berechnen“ mussten mit ihren Karten, manchmal den Weg ganz intuitiv fanden, manchmal zweifelten „Was machen wir hier eigentlich?“, manchmal voller Begeisterung weiterzogen, manchmal total erschöpft, überfordert, überdrüssig waren … all das.

Die Leute – vor allem in Israel – sagten ihnen: „Nach Bethlehem wollt ihr? In dieses kleine Kaff? Was soll denn aus Bethlehem kommen?“ Dann zweifelten sie vielleicht, aber sie hielten daran fest: das Zeichen, der Stern, er leuchtet hell und klar und zeigt eindeutig den Weg dorthin! Wir müssen dorthin, es ist egal, was die Leute sagen!

Und als sie dort endlich ankommen, finden sie … keinen König. Jedenfalls nicht so, wie man sich das gemeinhin vorstellt. Sie finden keinen Hofstaat, keine Dienerschaft, kein Gold, kein Silber und teure Gewänder, keine adligen Eltern, die auf ihrem Thron sitzen. Sie finden ein Baby in einem Stall, in einer einfachen Herberge, Kind einfacher Eltern mit grober Kleidung und rauhen Händen vom Arbeiten. Sie finden Hirten, die dorthin gekommen sind und einen Himmel, der an diesem Tag irgendwie anders ist als sonst … Und sie geben dem Kind all die wertvollen Geschenke, die sie mitgebracht haben.

So waren die Sterndeuter aus dem Morgenland nach Bethlehem aufgebrochen, einfach nur, weil sie dieses Zeichen am Himmel gesehen haben und ihm vertraut haben. Und, ihr Lieben, ich wünsche euch allen, dass ihr an eurem Himmel auch euren Stern entdeckt, ihn im Blick behaltet und ihm folgt und euch nicht beirren lasst. Jetzt, wo das Jahr so langsam zuende geht und das neue Jahr anbricht, möchte ich euch das ans Herz legen.

Es ist ganz unterschiedlich, was bei euch gerade so dran ist und wo ihr gerade steht in eurem Leben. Manche sind noch mitten in der Schule, müssen sich durch den Schulunterricht und manchmal durch den kirchlichen Unterricht kämpfen, und wissen noch gar nicht genau, wo es mal hingehen wird.

Manche schließen ihre Schule so langsam ab, sind in den letzten anstrengenden Phasen, wo nochmal alles von ihnen gefordert wird und vor allem alles auf einmal.

Manche sind bereits ins Berufsleben gestartet, müssen sich ganz neu orientieren, müssen „nach dem Weg fragen“, müssen einen unbekannten Weg meistern, müssen ganz oft ihrer Intuition vertrauen, wenn niemand die Fragen beantwortet, die sie haben (und das passiert oft!)

Manche haben was begonnen, was sich aber als falsche Richtung herausgestellt hat und müssen „die Route neu berechnen“, müssen den Weg wiederfinden, der für sie der richtige ist, müssen neuen Mut und neues Vertrauen aufbringen nach einer Enttäuschung, was sehr anstrengend ist.

Manche sind bereits schon etwas länger in ihren Berufen unterwegs und sehr professionell darin. Und trotzdem gibt es immer wieder Zeiten der Unsicherheit, Zweifel (im eigenen Herzen entstanden oder von anderen gesäht: „Was kann denn da schon Gutes kommen?“) Immer wieder neue Menschen, denen man begegnen muss, immer wieder neue Herausforderungen, die man meistern muss. Wenn man liebt, was man tut, hat man immer die Sorge, ob man es richtig macht. Sorge ist ein Zeichen von Liebe!

Manche sind auf der Suche nach sich selbst, stellen nochmal ganz neu diese ewige Frage des Menschen: Wer bin ich eigentlich? Und wie finde ich Heimat in mir selbst?

Manche sind auf der Suche nach dem anderen Menschen, nach der Person, die es wert ist, dass man ihr das Herz schenkt, die das Versprechen wert ist, das man geben möchte, die Person, für die man es selbst wert sein möchte, wo das Herz und das Versprechen gut aufgehoben ist.

Ich wünsche euch, für all die Wege, auf denen ihr seid, Gottes Zeichen, Gottes Stern am Himmel, der euch leitet! Verliert ihn nie aus den Augen. Ich wünsche euch, dass es euer Stern wird, nicht einfach nur irgendein Phänomen am Himmel, das mit euch nichts zutun hat, sondern euer Stern, der euch so fasziniert und zu sich zieht, dass ihr nicht davon lassen könnt.

Ich wünsche euch, dass ihr das findet, was wirklich zählt im Leben, wie die Sterndeuter es fanden: Menschlichkeit, Hingabe an das Leben, Frieden und Liebe.

Und ich wünsche euch, dass ihr das entdeckt und findet, wovon wir hier in der Kirche immer reden, was manchmal so fremd und sonderbar klingt, aber so wichtig ist: Gott, der immer bei euch ist, der euch nie vergisst und der euch liebt. Amen

(15. Dezember 2023)

 

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