Irgendwo hier in der Gegend, wo die Gärten auf die weiten Felder hinausblicken, lebt ein kleiner Hund, der Charlie heißt. Eigentlich hatte ihn sein Herrchen „Prinz Charles III. von Genholt“ genannt, aber wohl eher im Scherz und mit einem Lächeln; sonst war er bei der ganzen Familie einfach nur CHARLIE.

Am Anfang war Charlie noch ganz tapsig gewesen, ganz klein, als die Familie ihn zu sich geholt hatte, grade weg vom warmen Fell der Mama in das kuschelige Hundekörbchen und in die Arme von Herrchen und Frauchen und den Kindern. Nach und nach begann er die Äuglein immer öfter zu öffnen und sich umzuschauen, schnupperte und horchte, versuchte, sich auf die Pfötchen hochzubringen und zu laufen … Das ging immer ein kleines Stück, dann plumpste er hin, das Köpfchen voran auf den Boden und lag eine Weile so da wie hingeschmissen. Dann sammelte er wieder seine Kräfte und drückte sich hoch, um es erneut zu versuchen, immer wieder, Hinfallen und Aufstehen, Hinfallen und Aufstehen …

Nach einigen Versuchen ging es immer besser und kaum, dass er laufen konnte, gab es kein Halten mehr: überall hörte man Charlies Pfoten trappeln und trippeln, sah ihn alles erkunden, schnüffeln, kratzen, knabbern und kläffen; wenn er sich abends in der Scheibe der Balkontür spiegelte, hockte er sich hin, legte den Kopf schief und jaulte sich zu. Und wenn die Familie nicht aufpasste, war der Kleine unter irgendeiner Decke oder in irgendeiner Ecke verschwunden, und sie suchten ihn ganz aufgeregt in der Befürchtung, er sei ausgebüxt. Ja, Charlie war ein flinkes Kerlchen und sein Entdeckerdrang war unermüdlich.

Draußen im Garten war es natürlich am schönsten! Dort gab es am meisten zu entdecken und auszukundschaften, und sobald sich Jemand von der Familie Richtung Balkontür in Bewegung setzte, sprang Charlie aufgeregt herum und bellte den Türgriff an, und schoss – sobald der Spalt breit genug war – auf die Wiese hinaus. Diese schimmernden grünen Grashalme, die an ihm vorbeirauschten, wenn er rannte, dieser Duft überall nach Blumen und Erde und Bäumen und Gemüse von den Feldern, und dieser weite Himmel über ihm, und die ganzen Verstecke und Winkel in den Hecken … ach, wie war das schön! In ihm war – von den Ohrenspitzen bis in die Pfoten – alles voller Frühling.

Überall gab es kleine Wesen, überall kreuchte und fleuchte es – kleine runde Rote mit schwarzen Punkten, oder kleine runde Schwarze mit roten Punkten, oder schwebende Gelbe mit schwarzen Streifen, oder krabbelnde Braune mit acht langen dünnen Beinen … uähh … Überall war was los in dem kleinen Garten, wenn man nur ganz genau hinschaute.

Sein Herrchen hatte den Kindern schon ein paar Mal gesagt, sie sollten das Gartentürchen richtig zumachen … „Der Hund läuft sonst weg!“, hatte er gesagt. Und ja, Charlie hatte schon einige Male zum Türchen geschaut, ganz neugierig und gespannt. Was war wohl dahinter? Ging es da nicht raus zu den Feldern? Der Garten war ja schön, aber … hier kannte er so langsam jedes Fleckchen … hmm … Er hopste immer mal wieder hin, horchte, schnupperte, schabte an den Holzlatten, legte sich und schaute unter dem Schlitz des Türchens hindurch … Ach, wie gerne würde ich mal dort hinaus, dachte er sich. Diese große, weite Welt dahinter, ich rieche sie doch, ich hab sie in der Nase: es duftet nach Abenteuer!

Und was soll man sagen: Wie es so geht, eines schönen Tages stand das Gartentürchen offen, der Hebel nicht richtig umgelegt, winkte sie still im Wind, als wollte sie sagen: „Schau mal, hier!“ Erstmal war Charlie ja doch etwas vorsichtig … Sollte er gehen? Jetzt war die Gelegenheit! Aber die Familie würde sich bestimmt Sorgen machen und ihn suchen … ABER … er wollte ja nur mal kurz schauen gehen, was es so dahinter gab … er würde auch nicht lange wegbleiben … hmm … Ach, in ihm kribbelte alles vor Aufregung! Er schaute sich um, horchte, wartete … Keiner war da. Dann schlüpfte er durch das Gartentürchen hinaus.

GESCHAFFT! Charlie war unbemerkt aus dem Garten hinausgehuscht und stand nun vor dem weiten Feld. Einen Moment stand er da und staunte einfach nur: Ist das toll hier draußen! Da gehts ja immer und immer weiter! Das hört ja gar nicht mehr auf! Da kann ich rennen und rennen und rennen, ohne Ende!

Er zögerte nicht mehr, Charlie war ein wirklicher Abenteurer! Er sprintete los und jagte die Rinne zwischen den Gemüsebahnen entlang, links und rechts schoss lauter Salat an ihm vorbei, und seine Ohren flatterten im Wind wie zwei Fähnchen, Staub und Erdklumpen flogen hinter ihm hoch … er rannte die ganze Bahn wie Läufer auf dem Sportplatz ihre Strecke, war das schön! Als er am Ende der Bahn anhielt, war er doch ziemlich außer Atem. Er schaute sich um: das Gartentürchen, aus dem er gekommen war, konnte er schon gar nicht mehr sehen, er sah nur lange grüne Bahnen Salatköpfe …

Na egal, dachte Charlie, der Weg ist ja einfach, ich werd schon wieder zurückfinden.

Vor ihm lag ein breiter Weg und dahinter wieder Felder und Bahnen, Bahnen und Felder, ach, er würde rennen können wie ein Windhund! Der Weg vor ihm war ein bisschen komisch: er war grau und hart. Gar nicht so wie die Erde oder die Wiese im Garten, oder der glatte braune Boden im Haus der Familie … Er tastete mit der Pfote … hm, komisches Pflaster … naja. Er tapste etwas unbeholfen vor, Schritt für Schritt und überquerte den Weg. Links und Rechts zog er sich lang hin, alles war still. Als er an den grünen Rand des neuen Feldes kam, raschelte etwas vor ihm, und ein Tier schoss mit hektischem Flattern in die Höhe und … flog in den Himmel und davon … Charlie sah ihm erstaunt nach: Der kann ja durch die Luft schweben! Und er fällt gar nicht runter! Es ist ja fast so, als würde er durch den Himmel schwimmen! O wie ist das toll! Er … fliegt! Er kann das alles von dort Oben sehen! Ach, dachte Charlie, das würde ich auch gerne können! Solche schönen bunten Flügel da haben und auch so fliegen wie der …

Charlie war ganz verträumt. Er schloss die Augen und stellte es sich vor, auch so zu fliegen wie der Vogel; und dann fühlte er sich toll, fast so, als könnte er es auch und würde fliegen. Dann aber machte er die Augen wieder auf und merkte, dass er das ja gar nicht wirklich konnte, und das bedrückte ihn … er war einfach nicht der Vogel … ach, wäre das toll!

Langsam ging er weiter, er wollte ja doch mal schauen, was es sonst so gab in dieser großen Welt. Auf dem Feld hier wuchsen keine Salatköpfe, sondern komische hochgewachsene Büschel mit lauter dünnen Halmen dran. Einer der Halme kroch sogar vorwärts … Der kroch vorwärts? Was ist denn das? Ein kriechender Halm? Charlie kam näher und schaute genau hin: auf einem der dünnen Halme kroch ein langes Tier entlang, mit unzähligen Füßen, die es wie eine Welle fortbewegten … Drrrüpp … Drrrüpp …

Das ist ja stark! Wenn ich so viele Füße hätte, dachte Charlie, dann könnte ich ja zehnmal so schnell rennen … ach was, zwanzigmal schneller, hundertmal schneller … Ich wäre Charlie Hundertpfote, boah, das wäre stark! Charlie Hundertpfote – mit Gebelle durch die Welle! Boah ey, wäre das cool! Während er noch so überlegte, verschwand der Hundertfüßler irgendwo im Büschel. Charlie ging begeistert weiter und sang: „Charlie Hundertpfote – mit Gebelle durch die Welle! Charlie Hundertpfote – mit Gebelle durch die Welle!“, und wollte dazu gerade laut kläffen, als er am Ende des langen Feldes wieder etwas sah.

Da hockte ein großes braunes Tier und knabberte etwas. Das ist kein Hund wie ich, überlegte Charlie. Er kam vorsichtig näher und musterte den Fremden. Er hatte sowas noch nie gesehen … kaum, dass er hier draußen war, sah er lauter Sachen, die er noch nie gesehen hatte. Das Tier hatte große lange Ohren auf dem schmalen Kopf, und kaum, dass Charlie dies richtig bemerkt hatte, drehte sich eins der Ohren etwas in seine Richtung, das Tier schaute zu ihm, und in der nächsten Sekunde schoss es blitzschnell davon ins nächste Feld. Charlie war verblüfft. Also ich höre ja schon sehr gut, dachte er, aber wenn ich so gut hören könnte wie der mit seinen Antennenohren … mannoman! Ich würde alles mitkriegen, viel früher als alle anderen; ich wäre noch viel besser als jetzt, ein richtiger SUPERCHARLIE! Das wäre was, mit solchen coolen Ohren …

Das braune Tier, der Hase, war verschwunden. Charlie schaute sich um, sah weitere Felder und viele große Bäume um sich her. Wohin nun?

WOHIN NUN? Charlie war unschlüssig und überlegte eine Weile: weiter durch die Felder rennen? Oder zu den vielen großen Bäumen da hinten? Oder doch besser zurück? Wie lange war er jetzt schon weg?, er wusste es nicht genau, er hatte die Zeit ganz vergessen bei all den interessanten Tieren, die er gesehen hat! Würde er eigentlich zurückfinden?, dachte er kurz … Doch, sicher! … Oder? … Doch, doch! … Oder? Och, ich weiß auch nicht! Irgendwie war Charlie ziemlich bedrückt.

Wenn ich fliegen könnte, wie der Vogel, dachte er, oder mit so vielen Beinen so rennen wie der Hundertfüßler, oder, oder so hören wie der Hase mit seinen Ohren … aber ich hab das ja alles gar nicht … ich bin einfach nur der Charlie, einfach nur so … ich selber halt … och … Und dann passierte etwas: Charlie fand sich selber … doof. Kennt ihr das, wenn man andere tolle Leute kennengelernt hat, die tolle Sachen können oder Talente haben, die man selber nicht hat, und man sich dann selber doof findet? Ein gaaanz unschönes Gefühl!

Kennt ihr nicht? Na, das freut mich für euch!

Kennt ihr doch? Na, dann wisst ihr ja, wie unschön das ist!

So fühlte sich Charlie jetzt, ganz unschön und ganz unwohl. Und dann passierte noch etwas: er wurde auch tatsächlich „doofer“, ganz komisch war das! Seine Schritte wurden trampelig und unbeholfen, und sein Kopf hing dumm herunter, gar nicht mehr so stolz erhoben und neugierig, und sein Blick wurde dämlich, gar nicht mehr so aufgeweckt und strahlend wie vorher, und entscheiden konnte er sich auch nicht, soll er da hin oder dorthin oder zurück oder was oder wie?, in seinem Kopf war gemischter Salat … Dabei aß er gar keinen Salat und mochte ihn auch nicht!!! Durch Salat rennen, ja, das mochte er; aber nicht Salat im Kopf! Hach …

Trübsinnig und lustlos trampelte er am Feld entlang, nur, um irgendwohin zu gehen, guckte seine trampeligen kleinen Pfoten an, und dachte die ganze Zeit nur an das, was die anderen hatten und konnten – und er nicht.

So langsam wurde der Himmel rot. Und fast hätte dieser wunderschöne orange-rote Himmel Charlie von seinen trüben Gedanken abgelenkt … dann sah er, entfernt am Rand der vielen Bäume, wieder ein Tier stehen. Er konnte es nicht genau erkennen, er musste näher rangehen, um zu sehen, was es war. Er trottete näher, war jetzt auch gar nicht mehr so interessiert wie zuvor; es war eher eine Ablenkung. Wenn man sich selber so doof findet, mag man andere gar nicht mehr so richtig kennenlernen, man will es lieber vermeiden …

Das andere Tier stand aufmerksam da und schaute ihn mit hellwachen, leuchtenden Augen an: eine Katze – ja, die kannte Charlie, die hatte er schonmal vom Fenster aus herumschleichen sehen. Sie ließ ihn nicht aus den Augen, als er näher kam.

Ganz friedlich! Bleib mir bloß vom Leib!“, fauchte sie.

Ja ja, ist gut. Ich will nix von dir“, entgegnete Charlie matt. Er hatte mal vom Fenster aus nach ihr gekläfft, das hatte die gar nicht toll gefunden.

Ich musste erstmal näherkommen, um zu sehen, wer du bist“, sagte Charlie schließlich.

So? Na, dann sind ja deine Augen nicht sehr gut! Ich hab dich direkt erkannt, als du aus dem Feld da kamst!“, erwiderte die Katze triumphierend.

Echt? Wow … dann kannst du aber sehr gut sehen …“ Charlie staunte. Die Katze nickte, sichtlich zufrieden mit sich.

Allerdings! Mir entgeht nichts! Ist bei dir Trampel aber auch nicht so schwer. Du schleppst dich ja hier rum wie ein Kartoffelsack!“, sagte sie und grinste fies.

Charlie ließ den Kopf wieder hängen, sagte nichts, und ging weiter. Blöder Kerl, dachte er. Aber diese Augen, die waren echt der Hammer! Boa, wie ich damit gucken könnte, ganz weit und auch in der Dunkelheit … och, es ist doch zum Piepen! WARUM, warum haben denn alle so tolle Fähigkeiten an sich, nur ich nicht! Das bisschen da, was ich so kann … Man ey … Mit flatternden Ohren durch den Salat rennen, das kann ich … und blöd rumkläffen und rumtrampeln … Hoch … Charlies Stimmung ging echt unter wie die Sonne am Himmel … So langsam brach die Nacht herein.

ES DÄMMERTE. Am Horizont wurde das Orangerot am Himmel immer mehr zu einem blassen Lila. Charlie trottete immer weiter zwischen Feld und Wald entlang, betrübt und mit ganz schweren Gedanken, die seinen Kopf runterdrückten wie Gewichte. Ob er sich verlaufen hatte? Ob er noch zurück finden würde? Er war sich nicht sicher … Innen drin jedenfalls, da hatte er das Gefühl, dass er sich verlaufen hatte … o, ihm war ganz komisch zumute …

Charlie Trampelpfote … das bin ich, dachte er, ja … ein Charlie Trampelpfote … oder Charlie Schlabberohr, oder sowas … Hach …

So ging er eine ganze Weile und war so mit sich und seinen trüben Gedanken beschäftigt, dass er gar nichts um sich herum merkte.

Na was machst du denn für ein Gesicht? Du siehst ja ganz traurig aus!“, sprach jemand zu ihm. Charlie schaute auf: am Waldrand vor ihm saß ein Hund … oder sowas Ähnliches wie ein Hund? Er war etwas größer als er, hatte wunderschönes rötliches Fell, eine weiße Brust und schaute Charlie aufmerksam und freundlich an. Was war das?

Ich …“, begann Charlie, wusste dann aber nicht, was er sagen sollte, „och, ist doch egal …“

O, so traurig, mein Junge?“, fragte der Andere. Charlie schaute ihn eine Weile an.

Bist du ein Hund?“

Nein“, erwiderte der Andere, „Ich bin ein Fuchs. Aber wir sind uns ähnlich.“ Charlie überlegte, sah den Fuchs an und blickte dann an seinen Pfoten herab.

Warum bist du so traurig? Was bedrückt dich so?“, fragte der Fuchs.

Och, ich … ich mag mich nicht …“, murmelte Charlie.

O, aber wieso das denn?“

Och … ich hab` so tolle andere Tiere gesehen, die so besonders waren und so tolle Sachen konnten … und ich … ich bin so … ach, ich weiß auch nicht … ich wäre gern anders: auch so besonders, mit so tollen Fähigkeiten und so …“

Ah, so so … Und weil du nicht besonders bist und keine tollen Fähigkeiten hast, deswegen bist du nun so traurig?“ Charlie nickte. „Ja.“

Hmm … Also das kann ich ja gar nicht glauben! Also ich sehe da jemand ganz besonderes vor mir, mit ganz tollen Fähigkeiten!“ Charlie guckte den Fuchs verblüfft an.

Wirklich?“ Der Fuchs nickte freundlich. Charlie dachte kurz nach.

Da war ein Vogel, der ist hoch in den Himmel geflogen – das war so toll!“

Na, das ist doch schön für den Vogel. Er ist ja schließlich ein Vogel“, sagte der Fuchs.

Und ein Tier war da, mit hunderten Füßen, mit denen ich superschnell rennen könnte …“

Na, das ist doch schön für den Hundertfüßler. Er ist ja schließlich ein Hundertfüßler“, erwiderte der Fuchs wieder.

Und ein Hase mit großen Ohren, der spitzenmäßig hören konnte …“, setzte Charlie nach.

Na, das ist doch schön für den Hasen. Er ist ja schließlich ein Hase“, gab der Fuchs wieder zur Antwort.

Und eine Katze mit superscharfen Augen, viel besser als meine …“ Der Fuchs schaute Charlie einen Moment an und begann dann breit zu grinsen.

Was denn?“, fragte Charlie unsicher.

Ich stelle mir grade vor, du hättest zwei Flügel, hundert Füße, zwei Hasenohren und Katzenaugen … muahaha … Siehst du vielleicht panne aus!“ Der Fuchs fing an, laut zu lachen. Charlie presste einen Moment sein Maul zusammen, um ernst zu bleiben, musste dann aber laut mitlachen; die Vorstellung war einfach zu witzig. Als die beiden schon ganz schlapp waren vor Lachen, wurde der Fuchs ruhiger und lächelte Charlie an.

Wie heißt du?“

Charlie“

Schau mal, Charlie: alle die, die du da getroffen hast, die sind doch wunderbar gemacht, so wie sie sind. Genauso wie du. Sie alle sind besonders und haben tolle Fähigkeiten, genauso wie du“, sagte der Fuchs.

Hm … was hab ich denn für tolle Fähigkeiten?“

Na, du bist mutig! Du bist ganz alleine bis hierher gekommen, oder nicht? Du hast keine Angst gehabt, die große weite Welt zu entdecken, sondern hast dich ins Abenteuer gestürzt. Du bist einfach losgelaufen und bist all den anderen Tieren begegnet, ohne die geringste Spur von Angst. Das ist doch etwas Tolles, oder nicht? Das können viele andere nicht so wie du.“

Hm … ja, das stimmt schon“, sagte Charlie nachdenklich. „Naja, tolle Abenteuerlust … Jetzt hab ich mich verlaufen und finde nicht mehr nach Hause …“

O, doch doch. Du findest nach Hause! Mach mal die Augen zu“, sagte der Fuchs. Charlie schloss die Augen. Da war sie wieder: die ganze große weite Welt in seiner Nase. Und durch all die vielen Gerüche sah er den Weg nach Hause wie eine Spur vor sich. Das war alles in ihm drin, als könnte er das innen drin sehen … Wow!

Siehst du? Das ist doch auch etwas ganz Besonderes, oder nicht?“

Ja, das hatte ich ganz vergessen. Kannst du das auch?“, fragte Charlie.

Ja, ich kann das auch. Und DU kannst es! Du kannst mit deiner Nase sehen.“

Ja, das stimmt.“ Und da passierte wieder etwas mit Charlie. Er war nicht mehr traurig und mit hängendem Kopf, so wie kurz vorher noch, sondern stand gerade da und blickte stolz und mutig nach vorne; und seine Augen leuchteten wieder, und sein Gang war nicht mehr tapsig und trampelig, sondern fest und sicher. Und in ihm strahlte es wie die Sterne, die langsam am Himmel erschienen.

Danke, lieber Fuchs.“

Gerne, lieber Charlie!“

JETZT WAR ES tatsächlich schon fast Nacht! Charlie war nach dem Gespräch mit dem Fuchs nachdenklich weitergegangen, und nun stand er da, das Abendrot war verschwunden und der Sternenhimmel breitete sich über ihm aus.

Wow, wie schön!, dachte Charlie. Aber komme ich jetzt noch nach Hause? Im Dunkeln? Hmm … Das war Charlie dann doch zu gefährlich; auch, wenn er so eine gute Nase hatte … so ganz im Dunkeln … ahhh …

Besser, ich suche mir hier irgendwo ein Plätzchen und warte, bis die Sonne wieder aufgeht! Ja, manchmal muss man vielleicht ein bisschen abwarten, bis die Sonne wieder aufgeht … Außerdem, wuähh, war er inzwischen doch schon ziemlich müde nach diesem aufregenden Tag. Das erste Mal ganz alleine draußen, und so viele Eindrücke und Begegnungen, und so vieles, worüber er nachdenken musste …

Er schaute sich um und fand bald eine Kuhle unter einem Baum: ein gutes Plätzchen! Charlie schlüpfte hinein, schob sich etwas hin und her, bis es bequem war, und legte dann den Kopf auf seinen Pfoten ab. Er schaute hoch: ein endloses Sternenmeer lag still über allem ausgebreitet. Hach …

Boah, ich hab Hunger!, grummelte Charlie. Und Durst … und ich vermisse Frauchen und Herrchen und die Kinder … und mein Körbchen zuhause ist viel bequemer als das hier … Ach, was für ein Tag … und diese ganzen Tiere, und diesezzzzzzz … zzzzfzzfffzzz … (schnarch) … So schlummerte Charlie ein und träumte.

och, wenn ich die Flügel von dem Vogel hätte … das wär ja was … dann könnte ich da am Sternenhimmel umherfliegen …

och, wenn die vielen Füße vom Hundertfüßler hätte … dann könnte ich ja noch schneller rennen … drrrrrüppp … drrrrrüppp …. Charlie Hundertpfote, mit Gebelle durch die Welle

och, wenn ich die Ohren von dem Hasen hätte … mannoman … da könnte ich ja noch besser hören als jetzt schon … hach …

und diese Katzenaugen … ja gut, die Katze war gemein gewesen, aber diese scharfen Katzenaugen … boa … da könnte ich ja supergut gucken …

Hmm … Boa, wie seh ich denn aus?, säuselte Charlie im Traum. Das … ich seh ja total bescheuert aus! NEIN, NEIN, NEIN! Charlie strampelte und schüttelte sich und wachte auf. Er schaute umher, bemerkte wieder, wo er war, und blickte an sich herunter …

Puhhh, schnaufte er erleichtert, es war nur ein Traum! Gott sei Dank! Nicht auszudenken, wenn das wahr gewesen wäre! Ich sah ja total verrückt aus. Das war doch nicht ICH! Ich bin doch der Charlie! Hach … Es war nur ein Traum … Gott sei Dank, es war nur ein Traum! Gott sei Dank, dass ich der Charlie bin!

Der Horizont leuchtete goldrot: die Sonne ging auf. Charlie sog den Duft des neuen Tages tief in seine Nase. Da war es wieder: die ganze Welt war in seiner Nase und alles in ihm war voller Frühling!

Ich gehe nach Hause …

CHARLIE!, rief eines der Mädchen, die ihn als erstes vor dem Gartentor sah. Charlie, da bist du ja! Wir haben uns solche Sorgen gemacht. Gott sei Dank, unser Charlie ist wieder da!

– ENDE –

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